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Sonntag, 12 Juli 2015 12:54

LG Berlin: Ein Vertrag zur Suchmaschinen-Optimierung ist grundsätzlich ein Dienstvertrag (12/07/2015)

RA Dr. Oliver S. Hartmann erwirkt wichtiges Urteil für die SEO-Branche: Werden in einem Vertrag zur Suchmaschinen-Optimierung keine eindeutigen erfolgsbezogenen Ziele festgelegt, liegt grundsätzlich ein Dienstvertrag vor. Die Vergütung ist daher zu zahlen, auch wenn es tatsächlich nicht zur einer Verbesserung der Positionierung in der Trefferliste gekommen ist.

LG Berlin, Urteil vom 15.01.2014 (Az. 22 O 186/13)

 

Was ist geschehen?

Ein Onlineshop für Schuhe schloss einen sog. SEO-Vertrag ab. Bei einem SEO-Vertrag handelt es sich um einen Vertrag zur Suchmaschinenoptimierung, der zum Ziel hat, die Positionierung innerhalb der Trefferliste bei Google zu verbessern. In dem hier streitgegenständlichen SEO-Vertrag wurden folgende Leistungen vereinbart: „stetige Keyword- und Konkurrenzanalyse sowie Backlinkbildung“.

Der Vertrag war auf mindestens sechs Monate festgelegt, im Anschluss sollte eine dreimonatige Kündigungsfrist für beide Seiten gelten. In den AGBs der SEO-Agentur war festgehalten, dass ein bestimmter Erfolg nicht geschuldet sein könne, da die Positionierung in der Trefferliste von den (überwiegend) geheimen Google-Algorithmen abhängig sei.

Nachdem die ersten drei Rechnungen bezahlt wurden, kündigte der Onlineshop den SEO-Vertrag mit sofortiger Wirkung. Er berief sich auf den E-Mail-Verkehr, nachdem angeblich eine anhaltende Positionierung des Webshops in der „Top-Ten-Trefferliste“ versprochen worden sei. Diese verbesserte Positionierung sei nicht eingetreten. Die tatsächlich gestiegenen Nutzerzahlen beim Webshop seien lediglich auf „organisches Wachstum“ zurückzuführen, jedoch nicht auf die Suchmaschinenoptimierung.

Wir vertraten den SEO-Dienstleister. Als der Onlineshop auf die außergerichtliche anwaltliche Mahnung nicht reagierte, erhoben wir beim Landgericht Berlin im Namen des SEO-Anbieters Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung in Höhe von 10.710 Euro sowie auf Erstattung der dem SEO-Anbieter entstandenen anwaltlichen Mahnkosten.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Gericht gab dem SEO-Anbieter Recht. Laut Vertrag war nur das Bemühen um eine verbesserte Google-Platzierung geschuldet, jedoch kein bestimmter Erfolg. Solche Versprechen gingen auch nicht aus dem E-Mail-Verkehr hervor. Zudem könne aufgrund der Mindestvertragsdauer von sechs Monaten kein nachhaltiger Erfolg nach nur drei Monaten erwartet werden. Die außerordentliche Kündigung vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit sei damit unwirksam gewesen. Das Gericht sprach dem SEO-Anbieter damit die vereinbarte Vergütung für die restlichen drei Monate in Höhe von 10.710 Euro zu. Auch die außergerichtlichen anwaltlichen Mahnkosten musste der Beklagte dem SEO-Anbieter erstatten.

Folgen für die Praxis:

Die Frage nach der Rechtsnatur eines Vertrages zur Suchmaschinenoptimierung ist für SEO-Anbieter von zentraler Bedeutung. Geht man von einem Werkvertrag aus, kann der SEO-Anbieter nur dann seine Vergütung verlangen, wenn ein bestimmter Erfolg eintritt, nämlich ein verbessertes Ranking in der Google-Trefferliste. Dies können SEO-Anbietern aber grundsätzlich gar nicht garantieren, da das Ranking von Google-Algorithmen abhängig ist, die überwiegend von Google geheim gehalten werden. Ist ein SEO-Vertrag dagegen als Dienstvertrag einzuordnen, reicht es, die geschuldete Tätigkeit auszuführen. Ob die SEO-Maßnahme tatsächlich zu einer Verbesserung in der Rangliste der Google-Trefferliste führt, ist im Falle eines Dienstvertrages für den Anspruch auf Vergütung unerheblich.

Wir haben die Ansicht vertreten, dass im konkreten Fall ein Dienstvertrag vorlag und damit die geschuldete Vergütung von dem Onlineshop zu zahlen ist. Denn genauso wenig wie ein Arzt einem Patienten die Heilung versprechen kann, genauso wenig kann der Anbieter von Suchmaschinenoptimierung garantieren, ob bzw. in welchem Maße eine Verbesserung im Google-Ranking eintritt. Dieser Auffassung ist das Landgericht Berlin im Ergebnis gefolgt. Der SEO-Anbieter habe die versprochenen SEO-Maßnahmen durchgeführt. Für diese Dienstleistung sei die vereinbarte Vergütung zu zahlen.

Das Urteil ist ein Sieg für die Anbieter von Suchmaschinen-Optimierung. Der Vergütungsanspruch des SEO-Anbieters ist unabhängig vom Erfolg der SEO-Maßnahmen gesichert, solange die vereinbarte Tätigkeit tatsächlich erbracht wird. Allerdings kommt es stets auf die genau vertragliche Formulierung an. So hatte das Landgericht Amberg im Jahre 2013 (Az. 14 O 417/12) einen Vertrag zur Suchmaschinen-Optimierung im konkreten Fall als Werkvertrag eingestuft. In diesem Fall war allerdings eindeutig festgelegt, was der SEO Anbieter leisten sollte, nämlich das Setzen von 684 sog. Backlinks. Auch das AG Charlottenburg hatte mit Urteil vom 17. Juli 2008 (Az. 39 C 5988/08) den zu beurteilenden SEO-Vertrag als Werkvertrag angesehen. Auf die Frage, dass SEO-Anbieter ein bestimmtes Ranking technisch gar nicht garantieren können, komme es nach Ansicht der AG Charlottenburg nicht an. Das AG Charlottenburg wies daher die Klage des SEO-Anbieters auf Zahlung der Vergütung ab.

Das Landgericht Berlin folgte unserer Auffassung, dass die Urteile des LG Amberg und des AG Charlottenburg nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, weil - anderes als im Fall des AG Charlottenburg - eben gerade keine bestimmte Platzierung in der Trefferliste versprochen wurde.

Interessant ist auch das obiter dictum des LG Berlin, dass selbst bei Vorliegen eines Werkvertrages wohl die geschuldete Vergütung hier zu zahlen gewesen sei. Denn vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit schulde der SEO-Anbieter noch gar keine Erfolge, so dass dem SEO-Anbieter keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, wenn es innerhalb der Mindestvertragslaufzeit noch nicht zu einer verbesserten Positionierung komme.

Das aktuelle Urteil zeigt also: Es kommt auf die genaue Formulierung des Vertrages an, aber auch darauf, wie der Vertrag gelebt wird. Wenn nach Vertragsschluss in der E-Mail Kommunikation bestimmte Erfolge versprochen oder in der Werbung solche Versprechungen gemacht werden, kann der Vergütungsanspruch des SEO-Anbieters entfallen, wenn die versprochene verbesserte Positionierung nicht eintritt. Auch dies hat das LG Berlin festgehalten. Zudem sollten SEO-Anbieter versuchen, Mindestvertragslaufzeiten zu vereinbaren. Selbst wenn ein Gericht den Vertrag als Werkvertrag einstufen sollte, kann innerhalb der Mindestvertragslaufzeit nicht gekündigt werden, weil nach Ansicht des LG Berlin der SEO-Anbieter frühestens erst nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit einen Erfolg schulden würde.

Das Urteil kann hier heruntergeladen werden.

 

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