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Mittwoch, 23 Dezember 2015 00:00

BGH: Unterlassungsschuldner muss auch auf Drittwebseiten einwirken, anderenfalls wird Vertragsstrafe fällig („CT-Paradies“)

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Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs muss ein Unterlassungsschuldner nicht nur die abgemahnten Fotos von seiner eigenen Webseite entfernen, sondern sogar darauf hinwirken, dass die Verletzungshandlung auf fremden Webseiten beendet wird (hier abgelaufene eBay-Auktionen). Erfolgt dies nicht, muss der Unterlassungsschuldner eine Vertragsstrafe zahlen.

BGH, Urteil vom 18.09.2014, Az. I ZR 76/13- „CT-Paradies“

Was ist passiert?

Der Kläger verkaufte unter der Bezeichnung CT-Paradies in seinem Webshop bestimmte Sammelfiguren. Die Beklagte kopierte 54 Lichtbilder dieser Sammelfiguren von der Website des Klägers, um damit die eigenen eBay-Angebote zu illustrieren. Nachdem der Kläger die Beklagte abgemahnt hatte, zahlte diese die geforderten Abmahnkosten und gab eine Unterlassungserklärung mit folgendem Inhalt ab:

„1. es zukünftig im Internet, insbesondere bei eBay, zu unterlassen, Bilder, an denen [der Kläger] ein Urheberrecht innehat, ohne dessen Zustimmung zu vervielfältigen bzw. vervielfältigen zu lassen, zu bearbeiten, bearbeiten zu lassen oder zu verbreiten oder verbreiten zu lassen;

2. für den Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1 genannte Unterlassungsverpflichtung eine von [dem Kläger] nach billigem Ermessen festzusetzende Vertragsstrafe und im Streitfall von der zuständigen Gerichtsbarkeit auf ihre angemessene Höhe zu überprüfende Vertragsstrafe zu zahlen.“

Die Beklagte nutze die Fotos in ihren eBay-Auktionen nicht mehr, allerdings entfernte sie die Bilder nicht aus den bereits beendeten eBay-Auktionen. Die Fotos waren also bei eBay über die Suchfunktionen „erweiterte Suche“ bzw. „beobachtete Artikel“ unter der Rubrik „beendete Auktionen“ noch abrufbar.

Daraufhin mahnte der Kläger die Beklagte erneut wegen rechtswidriger Nutzung von 54 Bildern ab und machte eine Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 275.400 EUR sowie einen weiteren Schadensersatz in Höhe von 32.240 EUR geltend. Der BGH hatte nun insbesondere zu entscheiden, ob wegen Verstoßes gegen die abgegebene Unterlassungserklärung dem Kläger eine Vertragsstrafe zu zahlen ist.

Wie hat das Gericht entschieden?

Grundsätzlich liege nach Ansicht des BGH ein Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung vor. Zum einen erfasse das Wort „Verbreiten“ auch Internet-Nutzungen, zum anderen hätte der Unterlassungsschuldner auch darauf hinwirken müssen, dass die Fotos nicht mehr in den beendeten Auktionen abrufbar seien.

Zwar könne die Beklagte rein technisch die Fotos gar nicht aus den beendeten Auktionen selbst entfernen, da darauf nur eBay Zugriff habe. Allerdings hätte die Beklagte zumindest alles „mögliche und zumutbare“ zur Entfernung der Bilder tun müssen, d.h. z.B. bei eBay die Löschung beantragen müssen. Der BGH führt insoweit ausdrücklich aus:

„Die Verpflichtung zur Beseitigung des Verletzungszustands umfasst die Verpflichtung, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf den Betreiber der Internetplattform eBay einzuwirken, um diesen zu einem Entfernen der unter der Rubrik "beendete Auktionen" weiterhin öffentlich zugänglichen Lichtbilder zu veranlassen. Der Unterlassungsschuldner hat zur Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken, wenn und soweit er auf diese Einfluss nehmen kann." (Hervorhebung durch Verfasser)

Nach Ansicht des BGH sei in einer Unterlassungserklärung nämlich in der Regel auch eine Beseitigungspflicht enthalten, die zu einem aktiven Tun verpflichte:

„Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung … ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.“

Der BGH wies den Fall daher zur Neuverhandlung an das Berufungsgericht zurück, stellte allerdings klar, dass die Vertragsstrafe nicht in der geltend gemachten Höhe begründet sei. Denn zum einen sei aufgrund der fehlenden direkten Einflussmöglichkeit auf Drittwebseiten nur von einem geringen Verschulden auszugehen, zum anderen sei die Vertragsstrafe nur einmal verwirkt. Zwar handele es sich um 54 verschiedene Fotos, allerdings sei bei wertender Betrachtung nur von einem einzigen Verstoß gegen die Beseitigungspflicht auszugehen.

Folgen für die Praxis:

Das Urteil des BGH hat sowohl für Unterlassungsschuldner als auch für Unterlassungsgläubiger, die eine vollständige Entfernung der Rechtsverletzung aus dem Internet erwarten, erhebliche Praxisrelevanz.

Zum einen führt der BGH seine Rechtsprechung fort, wonach aus einer Unterlassungserklärung grundsätzlich auch Handlungspflichten erwachsen (siehe z.B. BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12). Dabei stellt der BGH klar, dass diese Handlungspflichten auch dazu führen, auf die Betreiber fremder Internetportale einwirken zu müssen, um diese zur Beendigung der Verletzungshandlung zu bewegen. Da der Unterlassungsschuldner jedoch keinen Einfluss darauf habe, ob der Betreiber der Drittwebseite dem nachkommt, genügt der Unterlassungsschuldner seiner Pflicht, wenn er alles „Mögliche und Zumutbare“ getan hat. Was genau dies bedeutet, erläutert der BGH jedoch nicht. Ob z.B. eine einzige Mail mit Löschungsaufforderung ausreicht oder eine mehrmalige Aufforderung bis zur endgültigen Löschung erforderlich ist, wird in Zukunft noch zu entscheiden sein.

Der BGH legt einem Unterlassungsschuldner damit zwar sehr weite Handlungspflichten auf, allerdings relativiert er dies wiederum auf der Ebene der Höhe der Vertragsstrafe. Da nämlich keine direkte Zugriffsmöglichkeit auf Drittwebseiten bestehe, liege nur ein geringes Verschulden vor. Dies eröffnet in der anwaltlichen Praxis in Zukunft Verhandlungsspielraum, mit dem Gegner über die Höhe der Vertragsstrafe zu verhandeln.

Diese Rechtsprechung dürfte auch auf die Fälle übertragbar sein, in denen die Rechtsverletzung noch über den Google Cache abrufbar ist. Auch hier dürfte es wohl für den Unterlassungsschuldner „möglich und zumutbar“ sein, einen Löschungsantrag bei den gängigsten Suchmachinenbetreibern zu stellen (siehe zB OLG Celle, Urteil vom 29.01.2015, Az. 13 U 58/14).

Ob der Fall anders zu beurteilen ist, wenn die Verletzungshandlung auf Drittwebseiten ohne Wissen und Wollen des Unterlassungsschuldners - "Kennenmüssen" steht Kenntnis gleich - fortgesetzt wird, dürfte (wieder) offen sein. Zwar hatte der BGH einmal in dieser Konstellation entschieden, dass keine Vertragsstrafe fällig werde (BGH, Urteil vom 09.11.2011, Az. I ZR 204/10). Allerdings stammt dieses Urteil aus 2011, während der BGH mit Urteil vom 13.11.2013 (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12), mit dem vorliegenden Urteil aus 2014 und auch mit Urteil vom 28.07.2015 (BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14) die Beseitigungspflichten des Unterlassungsschuldners - und damit ggf. auch seine Recherchepflichten - wohl wieder ausweiten will.

Allerdings stellte der BGH in der vorliegenden Entscheidung auch klar, dass eine Unterlassungserklärung keine Beseitigungspflicht enthält, wenn sich aus den Umständen etwas anderes ergebe. Der Umfang der Handlungspflichten hängt damit maßgeblich davon ab, wie die Unterlassungserklärung formuliert wird. Dies hat z.B auch die RSS-Feed-Entscheidung des BGH gezeigt, in der eine Vertragsstrafe aufgrund der konkreten Formulierung der Unterlassungserklärung verneint wurde (BGH, Urteil vom 11.11.2014, Az. VI ZR 18/14). Angesichts der ausdifferenzierten Rechtsprechung sowie großen der Bedeutung und Tragweite einer Unterlassungserklärung sowohl für den Unterlassungsschuldner als auch für den Unterlassungsgläubiger ist daher anzuraten, eine Unterlassungserklärung stets durch einen spezialisierten Anwalt prüfen und formulieren zu lassen.

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